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KiSS-Behandlung

Einen Schwerpunkt meiner Kinderbehandlung stellt die Beschäftigung mit dem sogenannten KiSS-Syndrom dar: „Kopfgelenk-induzierte Symmetriestörung“ – KiSS – wieder ein neuer Begriff, wozu? Nun, reduzieren wir es für den Anfang auf das Substantiv: Symmetriestörung, Abweichung von der Haltung in Mittelstellung. Alles, was nach links oder rechts abweicht, ist ziemlich einfach als „Schiefsein” zu erkennen; auch massives Durchstrecken nach hinten gehört dazu. Immer wieder aber schwankte die Beurteilung der Haltungsabweichungen zwischen Bagatellisierung und Ernstnehmen. Gerade die Verbindung zwischen der frühkindlichen Fehlhaltung und späteren Adaptationsproblemen im Schulalter machen eine gründliche diagnostische Klärung der Frühsymptome so dringlich und stellen meine Kernkompetenz dar.

​Der menschliche Geburtsweg ist durch die einzigartige Beckenkonstruktion infolge unseres aufrechten Ganges  extrem kompliziert und wegen des erst seit „Kurzem“ (d.h. ca. 2 Mio. Jahren) gewachsenen Kopfumfanges noch weiter risikobehaftet. Die obere Halswirbelsäule ist hierbei enormen Verletzungspotentialen ausgesetzt. Diese Kombination aus der Wichtigkeit für die Wahrnehmung und der besonderen Verletzlichkeit bei der Geburt ist die Ursache des KiSS-Syndroms.

​Der Ausdruck “Kopfgelenke” bezeichnet die Übergangszone zwischen der Schädelbasis und der Halswirbelsäule, also den oberen Nackenbereich. Diese Zone hat eine zentrale Bedeutung für die Koordination von Haltung und Bewegung und damit beim Neugeborenen für das korrekte Erlernen der Bewegungsmuster. Störungen in diesem Bereich, die in späteren Jahren zum Beispiel nur einen „verspannten Nacken“ zur Folge haben, können in der Anfangsphase der Entwicklung, d.h. im ersten Lebensjahr, tiefgreifende Fehlentwicklungen der gesamten Sensomotorik zur Folge haben.

​Als Ausgangspunkt der Problematik kristallisiert sich eine schmerzvermeidende Schonhaltung heraus („Schokoladenseite“), die – je nach Lage der Irritation – verschiedene Haltungen begünstigt. Folge einer unbehandelten KiSS-Problematik im Säuglingsalter kann ein sogenanntes KiDD-Syndrom im späteren Kindesalter nach sich ziehen: KiDD ist die Abkürzung für Kopfgelenk-induzierte Dyspraxie und Dysgnosie. Dysgnosie steht für die Unfähigkeit Gelerntes zu reproduzieren. Dyspraxie bezeichnet eine Koordinations- und Entwicklungsstörung, bei der es unter anderem zu fein- und grobmotorischen Störungen kommt.

As the twig is bent, so grows the tree.

William Garner Sutherland